Zwei Jahrhunderte nach seiner Entdeckung möchte ich heute ein ganz besonderes Heilmittel in Erinnerung rufen. Es stammt von dem Medicus und Physicus Johann Christoph Fahner (1758-1802), der nicht nur seiner Zeit weit voraus war, wie es mir scheint. Wie konnte es in Vergessenheit geraten, werden Sie sich fragen, sobald Sie Fahners Haus-Rezeptur begriffen haben, die so einfach praktikabel wie seine Einleitung lang ist. Eins sei daher vorweggenommen: Lesen lohnt sich, versprochen! Dieses Hausmittel hat sich bewährt – probatum est – und es ist allemal wert, wiederbelebt zu werden.

Ein spezifisches Hausmittel für allerlei böse Gesichter

Wie mancher, der zu heftigen Affekten sehr geneigt ist, wünscht bei ruhigen Stunden solche Stürme nie wieder in seiner Seele zu erfahren, denn er weiß, sie schaden seiner Gesundheit eben so sehr, als sie gegen alle Moralität sind. Wie viele sonst biedere gute Leute werden durch ihre zügellosen Leidenschaften die hässlichsten, unausstehlichsten und verhasstesten Menschen! Wie manche sonst glückliche Familie wird durch die Stürme der Affekten zerrüttet! Wie manche Ehe durch ihre Folgen getrennt oder doch unglücklich! Wie mancher kommt durch das tobende Feuer desselben ums Leben! Wie mancher stürzt sich durch die Wut desselben ins Verderben oder doch in mancherlei widrige Schicksale und betrübte Folgen?

Hier ist ein Mittel, das ich als zuverlässig empfehlen kann, ein höchst leichtes, simples und für jedermann anwendbares Mittel: Man braucht es nicht erst in der Apotheke zu holen oder durch viele Mühe selbst zu bereiten. Hoffentlich hat es jeder im Hause – und ist also [dann] im eigentlichsten Verstande ein Hausmittel.

Doch damit man den Gebrauch desto besser lernen mag, so will ich erst ein paar Krankengeschichten vorausschicken. Und dann werde ich vielleicht der Mühe überhoben sein, es zu nennen. Ist es nicht sonderbar, wird mancher Leser hier denken, das heißt ja die Leute ordentlich herumgeführt. Geduld mein Herr, wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie alles wissen, was Sie suchen, werden heute noch anfangen, es zu probieren – und fahren Sie dann nur einen Monat so fort, so wette ich, Sie danken mir noch für die Bekanntmachung dieses so souveränen Mittels schriftlich oder mündlich.

Noch muss ich erinnern, dass folgende Geschichten nicht etwa erdichtet sind oder zum Spaß mitgeteilt werden. Sondern wenn es was zur Sache täte, glaube ich, dürfte ich die glücklich geheilten mit Namen nennen, weil sie rechtschaffene menschenfreundliche Leute sind, die der Wahrheit zu Ehren gern ihre Schwachheit bekennen und anderen zur Aufmunterung das Glück ihrer Kur anpreisen werden. Es ist ja so Mode, dass dankbare Kranke ihren Arzt oder doch wenigstens das Mittel, das ihnen so kräftige und wohltätige Dienste leistete, auf alle Art zu verherrlichen suchen. Wie käme sonst mancher unverdiente Arzt so in Kunde, wie wären so manche schlechte Universal-Mittel so sehr in Gebrauch gekommen, dass ihre Verfertiger dabei Rittergüter erwerben konnten. Wie wäre manches Bad so in Ruf gekommen, und wie fände manches Buch solchen Beifall und Absatz, und wie kriegte mancher Professor sonst Applausum und Zuhörer, und wie hätte ich Subskribenten erhalten, wenn das dankbare Weiterempfehlen nicht seinen wohltätigen Nutzen hätte.

Doch ich möchte meine schon ungeduldigen Leser mit der Vorrede zu lange aufhalten; ich muss also doch wohl herausrücken. Aber ich versichere, dass weder der gute Wille, es bekannt zu machen, noch die Furcht, dass es nicht Beifall finden möchte, noch andere dergl. Umstände mich veranlassten, ein wenig erst zu präambulieren, sondern ich wollte meine Leser gerne recht aufmerksam auf die Wichtigkeit der Sache machen, damit sie sich das Ding recht tief in die Seele drückten.

Es ist doch gar zu garstig, wenn jemand oft solche böse Gesichter macht, und bringt im Hause nicht selten viel Ungemach. Viele heitere Stunden werden dadurch getrübet, viele süße Augenblicke verbittert, und das ganze Leben oft mühselig, unmutig und traurig gemacht.

Noch eine Anmerkung muss ich, wie wohl ungern, vorausschicken. Man denke ja nicht, dass mein Specificum nach der etwas langen Vorrede etwa die Überschrift verdiene: parturiunt montes & nascetur ridiculus mus [ein Gebirge wird gebären & eine lächerliche Maus wird geboren werden (Horaz)]. Dergleichen voreiliges Urteil erspare sich hier auch noch jeder, bis der Vorhang fällt.

Fortsetzung: 1. Anwendung des Heilmittels – die Hausmutter.