Zweiter Teil des Berichts über ein nahezu universelles Hausmittel aus dem 18. Jahrhundert, in dem der Mediziner Dr. Johann Christoph Fahner, Stadtarzt zu Buttstädt (Kreis Jena), die Anwendung seines Hausmittels oder „Specificums“ an einer „Hausmutter“ schildert – mit verblüffendem Erfolg:

Erste Geschichte

Frau von R., eine sonst gute liebe Hausmutter, die auch im Vierzigen noch vorteilhafte Spuren ihrer jugendlichen Schönheit zeigt und im Ganzen viel Verstand und Witz mit einem sehr guten Herzen und viel Moralität verbindet, tobte zuweilen im Hause wie unsinnig auf ihre Domestiken [Dienstboten], schalt und schlug nicht selten voll Ungestüm auf ihre Kinder, fuhr auch wohl mitunter ihren in Akten vergrabenen braven Mann heftig an, wenn sie eben ihre üble Laune hatte. Ihr Mann zeigte ihr oft das Unschickliche ihres Betragens, bat mit Güte und Liebe, sie möchte sich ändern, sagte ihr zuweilen auch ernstlich darüber seine Meinung, aber es half alles nichts.

Sie sahe es zwar ein, dass sie nicht recht tat, aber versicherte allemal, sie könne sich nicht ändern, es wäre einmal ihr Temperament so, und das geschähe allemal wider ihren Willen, wenn sie auch noch so lange dagegen sich wehrte.

Ich kam in Geschäften in das Haus, und man klagte mir einst bei Tische dieses unheilbare Übel. Oh, sagte ich, da weiß ich ein Specifikum, wenn sie nur Lust und Willen genug haben, sich kurieren lassen zu wollen, so hilfts gewiss. Alle waren neugierig, es zu erfahren, aber ich zog die bestimmte Antwort so ins Weite, dass man darüber aufstund und über das Ding lachte.

Nicht lange nach Tische trat der alte Paroxismus [Anfall] ein, ich griff gleich nach einem Spiegel, nahm ihn herunter und hielt ihr selbigen vors Gesichte. Sie stutzte, sah ihre hässlichen verzogenen und unnatürlichen Gebärden, sah, dass in den Gesichtszügen Zeichnungen von höllischen Furien waren, und schämte sich von ganzem Herzen. Ich ergriff sogleich die Gelegenheit wieder und sagte: Sehen Sie, gnädige Frau, das ist mein untrügliches Specificum! Betrachten Sie sich doch noch einmal, wie unnatürlich sehen Sie aus, gar nicht mehr als die vorhin so gnädige, Liebe und Sanftmut atmende Dame – und warum verstellen Sie Ihr holdes Antlitz so!

Sogleich legt sie ihr Gesicht wieder in andere ihr natürlichere Falten. Beschämt lächelte sie und machte mir eine kleine Verbeugung. Wie nun, fuhr ich fort, wenn Sie oder Ihr Herr Gemahl bei jedesmaligen eintretenden Paroxismo das so bewährte Mittel applizieren! Ich wette, ehe ein Monat vergeht, ist dieses Übel aus der Wurzel geheilt.

Sie entschloss sich auch auf der Stelle, einen kleinen Spiegel stets in der Tasche zu tragen und bei jedesmaligen Paroxismo selbigen sich vorzuhalten. Ich erinnerte noch, dass wenn sie es vergässe, oder ihr Herr Gemahl auch nicht gleich da wäre, jedermann im Hause die Ordre erhielte, sie nur sogleich an den Spiegel zu erinnern. Sie versprachs und tat es auch pünktlich.

Nach einiger Zeit kam ich wieder in das Haus, und schon im Hofe dankten mir die freundlichen Domestiken für meine glückliche Kur. Die Patientin selbst und der Herr Gemahl versicherten mit aller Zufriedenheit, dass meine Kur herrliche Dienste getan habe, und alle dankten mir aufs verbindlichste für die Bekanntmachung dieses so vortrefflichen und bewährten Mittels.

Also brachte ein unbedeutender lebloser Spiegel mehr zu Stande, als alle moralische und vernünftige Vorstellungen und Bewegungsgründe verschaffen und ausrichten konnten. Verdient dies nicht, bekannter zu werden?

Fortsetzung: 2. Anwendung – der Hauslehrer.