Nachdem Lord of Tofu im letzten Jahr aus dem Vegetarierbund ausgetreten ist, verlässt nun auch TOPAS (Wheaty) die „Interessenvertretung vegetarisch und vegan lebender Menschen in Deutschland“. Die Argumente beider Hersteller bio-veganer Lebensmittel laufen aufs Gleiche hinaus. Klebt Blut an den Händen des Vegetarierbundes?
„Der Vegetarismus ist die Lehre, dass der Mensch aus ethischen und biologischen Gründen ausschließlich zum Pflanzenesser bestimmt ist. Sein stärkstes Motiv ist die Überzeugung, dass möglichst kein Tier für die menschliche Existenz getötet oder geschädigt werden soll.“
Diese Rehburger Formel von 1963 stellte ein Leitmotiv des Vegetarierbundes dar mit seiner über 120-jährigen Geschichte. Und zweifellos teilen beide nun aus dem VEBU ausgeschiedenen Vegan-Pioniere die Grundüberzeugung, dass Tierquälerei und Blutvergießen für die Bedarfsdeckung der Menschen zu vermeiden sind. Beide Hersteller tierleidfreier Lebensmittel sind nun allerdings auch der Überzeugung, dass der VEBU seinen ethischen und moralischen Grundsätzen untreu geworden ist. Mehr noch, dass der VEBU das blutige Geschäft der Fleischindustrie unterstütze, indem der gemeinnützige Verein gemeinen Großkonzernen helfe, ihre neuen vegetarischen und veganen Erzeugnisse zu vermarkten und kleine Bio-Betriebe aus den Regalen der Supermärkte zu verdrängen.
„Die Verdrängung, die derzeit stattfindet, könnte sogar dazu führen, dass in ein paar Jahren Schlachtkonzerne den Markt für vegetarisch-vegane Fleischalternativen beherrschen. Weshalb sollten wir da als mittelständisches, rein veganes Unternehmen noch einer Organisation angehören, die die Fleischindustrie darin noch unterstützt? Wenn der VEBU Fleischkonzernen dabei hilft, Vegan-Hersteller an die Wand zu drücken, müssen wir jedenfalls aussteigen!“ (TOPAS-Firmengründer Klaus Gaiser im Interview „Vegan-Pionier TOPAS tritt aus dem VEBU aus„)
Der Vegetarierbund sieht dies freilich anders. Nach Beginn der ersten Kooperation mit einem fleischverarbeitenden Betrieb, mit der Rügenwalder Mühle im Jahr 2014, sah sich der Verein offenbar genötigt, diese unvegetarische Entscheidung zu rechtfertigen. In Form einer FAQ beantwortete der VEBU auf seiner Homepage die diesbezüglich häufig gestellten Fragen (auf der neu gestalteten Homepage ist das leider nicht mehr zu finden). Einen Verdrängungswettbewerb konnte der Verein nicht erkennen, ganz im Gegenteil:
„[Frage] 19. Warum unterstützt der VEBU statt der Rügenwalder Mühle nicht lieber kleinere, ethisch korrekt arbeitende Unternehmen? Werden die Konkurrenz der Rügenwalder Mühle und anderer großer Unternehmen nicht auf längere Sicht diese kleineren Unternehmen kaputt machen? Will der VEBU das unterstützen?
[Antwort] Der VEBU unterstützt auch kleinere Anbieter, die ein rein vegetarisches und veganes Produktangebot haben. Die Unternehmen, die am Markt etabliert sind, stoßen inzwischen jedoch an Kapazitätsgrenzen. Zudem kann ein kleiner Anbieter ein vergleichbares Volumen z. B. bei der Bewerbung von Produkten nicht tragen. Die kleinen Unternehmen werden unseres Erachtens langfristig davon profitieren, dass sich immer mehr Konsumenten grundsätzlich für vegetarische und vegane Fleischalternativen interessieren.“
Lord of Tofu konnte davon bisher nicht profitieren. In der Erklärung „Lord of Tofu steigt beim Vegetarierbund aus“ vom Oktober 2015 stellt die Firma fest:
„Seitdem der VEBU auch große konventionelle Fleischkonzerne unterstützt, werden wir als Produzenten von veganen Bioland-Lebensmitteln aus den Lebensmittelgeschäften wieder ausgelistet.“
Eine Folge sei, dass erstmals in der 20-jährigen Geschichte des Unternehmens Mitarbeiter entlassen werden müssten. Und zur Behauptung des Vegetarierbundes, Kapazitäten kleinerer Betriebe seien nicht ausreichend (für das, was der VEBU plant), sagen Dörte und Freddy Ulrich von Lord of Tofu: „dank kontinuierlicher Erweiterung der Produktionslinie und Einstellung neuer Mitarbeiter“ sei dies sehr wohl möglich (gewesen).
Nun, die Realität bzw. Zukunft sieht anders aus. Der Wettbewerb am Markt gerade im Bereich Lebensmittel ist hart. Und Großkonzerne lassen sich in diesem Bereich langfristig nicht in die Suppe spucken, nicht mal in eine vegetarische. Es geht um Masse, nicht um Klasse – meint auch der VEBU:
„Der VEBU fördert durch die Begleitung der Rügenwalder Mühle die bessere Verfügbarkeit von vegetarischen Fleisch- und Wurstalternativen im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (dort, wo kleinere bzw. Nischenanbieter in der Regel gar nicht gelistet sind). Insgesamt sind die fleischfreien Produkte langfristig in rund 23.500 Märkten in Deutschland erhältlich. Zum Vergleich: 2012 gab es in Deutschland knapp 500 Bio-Supermärkte und insgesamt knapp 2.400 Naturkostfachgeschäfte, in denen ein solches Angebot zu finden war. Die leichtere Verfügbarkeit von vegetarisch-veganen Produkten ist dem VEBU wichtig. Die Infrastruktur insgesamt zu verbessern, ist ein Weg, den Fleischkonsum in der Gesellschaft maßgeblich zu reduzieren.“
Eine neue Zielsetzung beim VEBU ist erkennbar, eine populäre und populistische: die Verfügbarkeit vegetarischer Produkte im Supermarkt, auch wenn der Verband hierfür über Leichen gehen muss, auch wenn die „vegetarisch und vegan lebenden Menschen in Deutschland“, deren Interessen der VEBU einst vertreten wollte, hierfür an Leichenteilen vorbeigehen müssen. Denn auch die neue Zielgruppen-Ausrichtung ist klar: Adressat des VEBU ist nun die große Gruppe der Flexitarier – und denen ist es vollkommen wurscht, dass an den Händen der Hersteller Blut klebt.